Wer poliert den "unentdeckten Edelstein?"

An Pilgern hat in Fulda nie ein Mangel geherrscht. Seit dem Fall der Mauer interessieren sich auch wieder Geschäftsleute für die Stadt, in der der heilige Bonifatius begraben liegt. Ein Wallfahrtsort für die Immobilien-Branche ist der osthessische Bischofssitz deshalb noch nicht geworden. Für Wohnungs- und Einzelhandels-Investoren bieten sich aber Gelegenheiten. Vorsicht  Schnäppchenjäger: Mit billig, billig kommt man in Fulda nicht weit!

"Wir sind von einer Auspendler- zu einer Einpendlerregion geworden", beschreibt Oberbürgermeister Gerhard Möller den Aufschwung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Besonders aus Thüringen kommen die Menschen zum Arbeiten. Wirtschaftliche Rahmendaten weisen Fulda als intakte Stadt aus. Man rechnet sich, wirtschaftlich gesehen, zur Rhein-Main-Region. Die Bevölkerungszahl ist zwischen 1995 und 2004 um 6,6% auf rund 65.000 gewachsen und soll Prognosen zufolge weiter steigen. Die Arbeitslosenquote von 8,7% zählt zu den niedrigsten in Hessen. Am Straßenbild lassen sich Wohlstand und neu gewonnene Lebensart ablesen. Mercedes-Benz macht in Fulda offenbar gute Geschäfte, man findet großstädtisch anmutende Lokale und italienische Feinkostläden, die Fassaden sind größtenteils gut in Schuss. "Was fehlt, ist junge, frische Mode", bedauert Stadtbaurätin Cornelia Zuschke. Womit wir beim Thema wären: dem Einzelhandel. Die Frankfurter Innenstadt ist, wenn es um Textilien geht, das beliebteste Ausflugsziel. Fulda setzt auf eine Politik der kleinen Schritte, um das zu ändern. Dieser Tage sind die Unterlagen für einen Architekturwettbewerb für ein Stadthaus am Universitätsplatz versandt worden.

Das Gebäude mit 1.600 qm bis 1.800 qm Bruttogeschossfläche (BGF) Einzelhandel und 1.200 qm bis 1.400 qm BGF Wohnen/Büro soll über einer neuen Tiefgarage für Karstadt entstehen. Investor ist die Firma Q-Park. Den Fahrplan für weitere Investitionen in der City hat die Verwaltung in dem Masterplan Südliche Innenstadt niedergelegt. Dieses in mehreren Workshops erarbeite Strategiepapier versteht sich als Angebot an Investoren. Definitiv keine Mall Definitiv nicht zum Zug kommt ECE. Die Hamburger hatten sich bereits einen Großteil der Grundstücke für ein Einkaufszentrum in der Innenstadt mit 40.000 qm Verkaufsfläche gesichert. "Wir haben unglaublich viel Druck bekommen", stöhnt Zuschke. Kürzlich hat das Stadtparlament das Baurecht für eine Mall aber endgültig verweigert. "Ich gehe davon aus, dass ECE von seinen Verträgen zurücktritt", so Zuschke. Restriktiv verfährt die Stadt auch bei der Genehmigung großflächigen Einzelhandels. Mit dem 2004 eröffneten Fachmarktzentrum Kaiserwiesen hat Fulda seinen Schluck aus der Pulle vorerst getan. Weitere Großmärkte dürften zurzeit nur schwer durchzusetzen sein - sehr zum Kummer von Maklern und Entwicklern wie Georg F. Sticherling.

"Ich könnte sofort 30.000 qm für einen Baumarkt vermitteln." Bauen in der Altstadt schwierig Mit den Kaiserwiesen ist es gelungen, den großflächigen Einzelhandel, der andernorts planlos an der Peripherie wuchert, in eine architektonische Großform zu gießen. Hier zeigt sich die Handschrift von Cornelia Zuschke, einer leidenschaftlichen Stadtplanerin, die mittlerweile aber auch in der Politik die Fäden zieht. Gerade wurde sie in ihrem Amt bestätigt, was für eine parteilose Politikerin in einer Stadt, die seit Menschengedenken von der CDU mit absoluter Mehrheit regiert wird, etwas heißen will. Während es Zuschke am Stadtrand gelungen ist, ihre Vorstellungen von Städtebau durchzusetzen, ist die Altstadt ein heikles Pflaster. "Es ist schwer, in einer schönen Stadt zu bauen", seufzt sie. Der fuldische Mensch muss von zeitgenössischer Baukunst überzeugt werden, zumal wenn sie Dom, Schloss oder einem der anderen heiligen Bezirke in der Altstadt zu nahe kommt. Der einheimische Bauträger Klaus Burg hat auch erfahren müssen, dass die jüngsten Ideen aus deutschen Architekturfakultäten in Osthessen nicht zwangsläufig goutiert werden. Zusammen mit dem Bauunternehmen Bickhardt hat er in der Nachbarstadt Petersberg ein Grundstück für 44 Eigentumswohnungen gekauft. I

nspiriert von einem Architektenwettbewerb entschied sich das Konsortium für einen zeitgenössischen Bauhausstil. Die Wohnungen verkaufen sich schlechter als erwartet. "Das wird in Fulda nicht verstanden", sieht Burg ein. Glücklicherweise ist der Marienküppel für ihn nur eines unter vielen Projekten. Die Firma ist seit 30 Jahren am Markt und einer der aktivsten Entwickler in der Region. Auf Burgs Konto geht zum Beispiel der Umbau des ehemaligen Fuldaer Schlachthofs in ein Bürogebäude. 50% der Flächen hat er an private Unternehmen vermietet, 50% an eine öffentliche Gesellschaft, die ihrerseits die Räume günstig an junge, aufstrebende Firmen weitergibt. Gegenüber dem Gründerzentrum entsteht demnächst ein Bürogebäude, das Burg für 30 Jahre an das Land Hessen vermietet hat. Neben dem Arbeits- und Sozialgericht ziehen Dienststellen der Finanzverwaltung und das Hessische Immobilienmanagement (HI) ein. Wegen solcher Produkte interessieren sich von Zeit zu Zeit auch institutionelle Investoren für Fulda. "Dieses Projekt hätte ich zehn Mal verkaufen können", sagt Burg.


Für auswärtige Anleger ist es grundsätzlich nicht leicht, zum Zug zu kommen. Der ein oder andere Fonds ist zwar investiert, doch das meiste, was ortsansässige Entwickler wie Klaus Burg bauen, wird, wenn sie es nicht selbst behalten, von der einheimischen Kundschaft absorbiert. Der Vertrieb läuft nicht selten nach dem Schema "Herr Burg, wenn Sie mal wieder ´was haben ..." In Fulda und Umgebung wohnen genügend Leute, die Immobilien-Investitionen im Millionen- Euro-Bereich schultern können. "Wir müssen unsere Objekte nicht unbedingt nach draußen bringen", so Burg. Projekte wie das Nahversorgungszentrum Alte Ziegelei in Petersberg verkauft er gleichsam auf dem kleinen Dienstweg - an Aldi, einen Privatmann aus Nordhessen, zwei Firmen aus der Region und einen Bundesligaspieler. Einer der größten Deals der vergangenen Jahre dürfte der Verkauf der Kaiserwiesen an die Unternehmensgruppe Hahn gewesen sein. Verkäufer waren Reinhold Werner, Eigentümer eines Bau- und Lackierunternehmens, und Hans Bien, Gründer der Fertighausfirma Bien AG.

Die Wirtschaftsstruktur Fuldas ist mittelständisch geprägt. Bekannte Firmen sind die Reifenwerke Fulda und tegut, einer der derzeit expansivsten Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland. Zu nennen wären auch der Automobilzulieferer Edag, die Klinikkette Helios und der Textilhersteller Mehler. Wer ins Geschäft kommen will, muss sich im Klaren darüber sein, dass die Stadt kein Armenhaus ist. Genau das, klagt Makler Sticherling, dächten aber viele Auswärtige. Einen "unentdeckten Edelstein, den man polieren muss", nennt er seine Stadt. Den Schnäppchenjägern, die sich von Zeit zu Zeit blicken lassen, ruft er zu: "Für einen Vervielfältiger von acht kriegen Sie hier nichts, da behalten die Investoren ihre Sachen lieber selber." Kewog, der Newcomer Bernd Büsching, Geschäftsführer der Entwicklungs- und Wohnungsbaugesellschaft Kewog, wundert sich, dass selbst Vertreter der ortsansässigen Sparkasse die für Büros erzielbaren Mieten unterschätzen. Kewog, ein Immobilienunternehmen in mehrheitlich öffentlichem Besitz aus dem ostbayerischen Tirschenreuth, ist der Beweis dafür, dass Fulda für auswärtige Developer offen ist - wenn sie sich bemühen. Für Herbst dieses Jahres ist die Fertigstellung des 10 Mio. EUR schweren Projektes Gemüsemarkt vorgesehen, der Bau von 46 Eigentumswohnungen und vier Läden in der Altstadt. Das Grundstück erwarben die Bayern günstig aus einem Zwangsvollstreckungsverfahren.

Als Nächstes wird die ehemalige Wollgarnfabrik in ein innerstädtisches Quartier mit Büros und Wohnungen verwandelt. Hier profitiert die Kewog von den steuerlichen Vorteilen einer Denkmalsanierung. "Für uns ist Fulda mittlerweile der erfolgreichste Standort in Deutschland", so Büsching. Der Büromarkt ist von Eigennutzern geprägt. Laut Sticherling gibt es einen Mangel an "professionell bewirtschafteten Flächen". "Man findet kaum 400 qm Büroraum, der innerhalb von drei Monaten bezugsfertig ist." Dies erweise sich bei der Ansiedlung von Unternehmen als Nachteil. Kein PPP bei Schulen Größere Wohnungsbestände in Fulda besitzen das Siedlungswerk Fulda e.G., das Gemeinnützige Siedlungswerk, die Wohnstadt Kassel und die GWH. Es gibt keinen Mietspiegel. Die Stadt hält sich als Akteur auf dem Immobilienmarkt zurück. Sie besitzt praktisch keine Wohnungen. Es existiert lediglich eine Entwicklungsgesellschaft für das Konversionsgebiet FuldaGalerie; sie soll nach Abschluss der Vermarktung aber aufgelöst werden. "Wir sehen unsere Aufgabe darin, privates Kapital für Fulda zu interessieren", sagt OB Möller. Von PPPModellen bei der Schulsanierung hält er nichts. "Wir können die notwendigen Investitionen selber stemmen." Fulda, anders als Qso viele Städte in Deutschland, tritt Investoren aus einer Position der Stärke entgegen.

Quelle: Immobilien-Zeitung vom 13.04.2006